Crossing Europe widmet dem bildenden Künstler, Filmemacher und Umweltaktivisten Edgar Honetschläger 2025 ein Special in der Local Artists Programmschiene, die Filmschaffen mit Oberösterreichbezug in den Fokus stellt.
ESSAY
Um sich der berückenden Arbeit Edgar Honetschlägers anzunähern, könnte man sich den in Linz geborenen bildenden Künstler, Filmemacher und Umweltaktivisten als eine Art Faustusfigur vorstellen. Gebückt sitzt er über Büchern und Bildern, studiert die Welt und bestaunt ihre Schönheit. Allerdings merkt er, dass seine Welt in Flammen steht. Er grübelt nach Lösungen. Statt einen Pakt mit dem Teufel einzugehen, hinterfragt dieser Gelehrte seinen eigenen Blick. So hat Honetschläger seit Anfang der 1990er Jahre genre- und grenzensprengende Filme geschaffen, in denen sich hochkomplexe philosophische Denkbewegungen mit einer fast kindlichen Freude am visuellen Experiment verbinden. Die Kamera filmt durch die Luft wirbelnden Sand oder selbstgebastelte Papierschmetterlinge, sie beobachtet die Mechanik scheinbar unbrauchbarer Apparate oder bannt bezaubernde Mikroskopbilder auf die Leinwand. Dabei kann man sich in allegorischen Labyrinthen verlieren oder dem faszinierenden Spiel der Oberflächen folgen. Beides führt zu einem ähnlichen Ergebnis: Man sieht die Welt mit anderen Augen. Obwohl sich seine auf der Berlinale, dem International Film Festival Rotterdam oder der Viennale gezeigten Filme aus den verschiedensten Stimmungen und Handlungen zusammensetzen, fügt sich sein Werk doch zu einem erstaunlich kohärenten Unbehagen an der menschlichen Zivilisation. Honetschläger zweifelt am menschlichen Handeln, und doch spürt er jenen Potenzialen in uns nach, die sich eine bessere Welt vorstellen können. Als Pendler zwischen verschiedenen Kulturen (Österreich, USA, Japan, Italien, Brasilien) und im Widerspruch mit den Mechanismen des Kunst- und Kinobetriebs nimmt er stets die Position desjenigen ein, der nicht ganz dazugehört und gerade deshalb mehr wahrnehmen kann. Wer sich seinen Filmen öffnet, wird sich früher oder später selbst hinterfragen müssen. Honetschläger erinnert daran, dass Identitäten instabil und Wirklichkeiten fluid sind. Seine Kunst sucht nach einem radikalen Perspektivwechsel. Um etwas zu ändern in der Welt, muss erst einmal der Blick auf selbige hinterfragt werden. Warum also, fragen seine Werke, vertraut das Kino immer wieder auf die gleichen Ideen des Realismus oder die Kunst auf jene der Zentralperspektive? Warum erzählen wir uns die immer gleichen Geschichten über den Untergang, wenn das bislang nicht geholfen hat, ihn aufzuhalten? Aus Honetschlägers Arbeiten sprechen nicht nur Menschen, man hat das Gefühl den Tieren, den Pflanzen, Atomen, ja Raum und Zeit selbst zu folgen. Tatsächlich erzählen Esel und Ameisen in seinen Filmen vom Leben auf der Erde – die Frage ist nur, ob wir in der Lage sind, ihnen zuzuhören. In diesem Sinne gemahnt sein Werk an klassische Mythen, in denen sich der Zustand der Welt beständig in Bildern und Worten neu formiert. Kulturen vermischen sich, Formen gehen aus einander hervor, Wesen verwandeln sich, Geister und Menschen leben Seite an Seite. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zu diesen Mythen: Honetschläger ist Bewohner eines sterbenden Planeten, seine Kunst widerspricht dem sogenannten Anthropozäns. Er erkundet in verspielten Streifzügen verschiedene Gefühlsregungen bei dieser Begegnung mit dem vom Menschen bedrohten Planeten Erde. Da gibt es einen anarchischen Humor, politisches Aufbegehren, Ironie, Abstraktion, Solastalgie (die Wehmut über den Verlust der vertrauten Natur), Rückbesinnung auf die Geschichte und ein erneuertes Staunen vor der Schönheit der Welt. Eine wichtige Rolle spielen dabei in den Filmen die Ameisen. Diese Tiere sind nicht nur entscheidend für die Biodiversität, sondern auch eine große Metapher für das menschliche Streben auf der Erde. Es kann kein Zufall sein, dass es in der Faustussage einen Chor der Ameisen gibt, der vom Gold berichtet. Jenes Gold, das eine entscheidende Rolle spielt im Umgang des Menschen mit der Natur. Der Ameisenchor Honetschlägers stößt Warnungen aus. Wer lauscht, kann begreifen, wie stark ein winziges Lebewesen mit dem Schicksal der Erde in Verbindung steht. (Patrick Holzapfel)

Edgar Honetschläger
Die Personale Give Nature a Break – Edgar Honetschläger (11.4. – 17.8.2025) im Nordico Stadtmuseum Linz kann während des Festivals mit einem Festivalpass oder einem Akkreditierten-Ausweis kostenlos besucht werden.