Die von Markus Keuschnigg kuratierte Sektion hat sich dem Fantastischen Film verschrieben. Die Vielfalt und Originalität des europäischen Genrefilms garantiert bewusstseinserweiternde Kinoerlebnisse.
Essay
We Need to Talk about Movies!
Markus Keuschnigg, Kurator
Unsere Seelen verschlissen vom allgegenwärtigen Krisen-Doom der letzten Jahre, braucht es wohl nicht zuletzt das Kino, um uns wieder in Takt zu bringen mit anderen und uns selbst. Harmonie wird aber keine gesucht und wäre in den diesjährigen „Nachtsicht“-Filmen ohnehin nicht zu finden. Zu zugespitzt entwerfen die Autor*innen ihre fantastischen Welten, als dass es darin zu versöhnlichen Gesten kommen könnte. Viel eher ringen sie uns Gedanken und Gefühle ab, die uns unsere Identitäten und Haltungen, Einstellungen und Meinungen hinterfragen lassen, die sie dehnen und erweitern, mitunter bis hin zur Transzendenz. Hier die Conversation-Starter des heurigen Jahrgangs: Die hypertoxische Beziehung zwischen einer Übermutter und ihrem krebskranken Sohn wird in einen Vergleich gesetzt mit der Abhängigkeit von Nordkoreaner*innen zum diktatorischen Regime. Eine junge Frau gibt sich in ihrem Heimatdorf der Naturmystik hin und destabilisiert darüber die patriarchalen Machtstrukturen. Ein (fast) stummer finnischer Deserteur schlachtet in der lappländischen Pampa dutzende Nazis ab. Ein Plattenbau wird zur unentrinnbaren Twilight Zone und soziologischen Petrischale. Und ein mittelalterlicher Fast-Regent muss sich einer Heidin anvertrauen, um an die Macht zu kommen. Möge euch die heurige „Nachtsicht“ neben reichhaltigen Kinoerfahrungen auch Futter für Streitgespräche und Debatten bieten, auf dass wir uns umarmen im Konsens, auf dass wir explodieren im Dissens.