Architektur und Gesellschaft 2014

Shaping the World: Raumproduktion im Spiegel der Gesellschaft

(Lotte Schreiber, Kuratorin)

Das Bestreben der Menschheit, ihren Lebensraum aktiv zu gestalten, kann bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgt werden. Architektursoziologische Forschungen zeigten, dass bereits die frühen Gesellschaften alle Möglichkeiten der Gestaltung und Aneignung von Raum kreativ nutzten. Architektur als die materielle, gebaute Umwelt erwies sich von Beginn an als manifester „Spiegel der Gesellschaft“, doch die Professionalisierung des Architektenberufs im Verlauf der Geschichte führte zu einer höheren Komplexität der Beziehungen zwischen Raum und Gesellschaft. E ine ähnlich folgenreiche E ntwicklung löste der Anspruch der Moderne aus, sich von traditionellen Bauweisen loszulösen und aktiv soziale Verhältnisse – zum Beispiel im Wohnungsbau – zu gestalten.

In Zeiten des globalisierten Kapitalismus folgen Architekturund Urbanisierungsmodelle ausschließlich einer „Logik des Kommerz“. Gebäudehüllen werden entmaterialisiert und zu Trägern kapitalistischer Propaganda; Raumaufteilung, Wegeführungen und Verkehrskonzepte stehen im Dienste maximaler Kundenfrequenz und Umsatzsteigerung – „Form follows capitalism“. Diese Symptome privatisierter und kommerzialisierter Stadtplanung in Verbindung mit einer rigorosen Ausgrenzungspolitik produzieren eine globale Identität, die an Eigenschaftslosigkeit kaum zu übertreffen ist.

Gegen diese Entwicklung stellen sich zunehmend informelle urbane Strategien, die neue Perspektiven für eine offene und heterogene Gesellschaft verfolgen. Sie bilden eine völlig neue Grundlage für die Produktion von Stadt, und damit auch für die Art und Weise, wie städtische Realität über Planungsprozesse mitbestimmt werden kann. Vor diesem Hintergrund versammelt die diesjährige Programmschiene „Architektur und Gesellschaft“, eine Kooperation mit dem afo architekturforum oberösterreich, unter dem Titel SHAPING THE WORLD vier Dokumentarfilme und einen Kurzfilm, die von den unterschiedlichsten „geplanten Welten“ erzählen. So gibt uns Global Shopping Village der österreichischen Dokumentarfilmerin Ulli Gladik E inblick in die Planungsstrategien europäischer Shoppingcenter-Entwickler und beleuchtet dabei die E ntwicklungen und die folgenschweren Auswirkungen einer profitgetriebenen Raumproduktion. Der britische Filmemacher Dean Puckett porträtiert in Grasp the Nettle eine Gruppe von Aktivisten, die ihre Vision einer Stadt jenseits wirtschaftlicher Interessen auf einer Brachfläche im Westen von London umsetzen wollen und eine Art Utopia mit selbstgebauten Hütten, Zelten und Gemüsebeeten gründen. Von ökologischen Stadtvisionen handelt auch Ecopolis China von Anna-Karin Grönroos. Der Film erzählt von den Bemühungen eines finnischen Ingenieurs und eines chinesischen Multimillionärs, ihren Traum von einer energieautarken und abgasfreien Stadt umzusetzen. Larissa Sansours Science-Fiction-Kurzfilm Nation Estate hingegen verhandelt die Utopie eines gesamten Staates, während im Zentrum von Ran Tals Dokumentarfilm The Garden of Eden eine künstliche Landschaft steht. Er porträtiert auf eindrückliche Weise den größten und populärsten Freizeitpark Israels und schafft darüber eine aktuelle Bestandsaufnahme der israelischen Gesellschaft.

 

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