Architektur und Gesellschaft 2010
Leerstehende Häuser, Brachflächen und verlassene Räume generieren als Teil der gebauten Realität informelle Aneignungsprozesse - sie werden besetzt, temporär genutzt oder dauerhaft besiedelt - oder werden zum Gegenstand von Spekulationsgeschäften am Immobilienmarkt. Die dadurch ausgelösten Gentrifizierungsprozesse verändern innerhalb weniger Jahre das Erscheinungsbild und soziale Gefüge ganzer Stadtteile.
Das Architekturforum Oberösterreich präsentiert in einer erstmaligen Kooperation mit dem Filmfestival Crossing Europe zwei Kurzund drei Langfilme, die auf unterschiedlichen Ebenen das Thema von Leerständen, Stadtbrachen und Resträumen im Kontext der Forderung nach einer Demokratisierung von Raum beleuchten.
Urbane Phänomene wie Parkour, Skateboarding oder Street Art zeigen uns das große Bedürfnis nach Freiräumen und deren Potential. Über die individuellen Aneignungen der „Resträume“ in den Städten werden über eine symbolische Inbesitznahme des öffentlichen Raums heterogene Identitäten verankert. Immer mehr kulturelle Akteure begeben sich hinaus und ziehen den zeitlich wie räumlich abgesteckten Territorien von Galerien oder Theatern flüchtige und temporäre Orte im urbanen Gefüge vor.
Der österreichische Choreograf Willi Dorner erklärt die Stadt zur Bühne und füllt urbane Leer- und Zwischenräume mit menschlichen Körpern, die er als Werkzeuge benutzt, um die Dimension von Raum wahrzunehmen. Der hier präsentierte Experimentalfilm body trail, den er gemeinsam mit dem Filmemacher Michael Palm realisierte, basiert auf der gleichnamigen Outdoor Performance, die im Oktober 2007 in Wien statt fand. Auch Derek Roberts untersucht in seinem kurzen Film Corners das Verhältnis von Körper (seinem eigenen) und urbanen Strukturen und führt uns in einer rasanten Schnittfolge vor, wie sich der städtische Raum durch die Art der Nutzung umformen lässt. Anne Bürger und Benjamin Cantu dokumentieren in dem für ARTE produzierten Film Street Art - die vergängliche Rebellion die globale und politische Dimension von Straßenkunst, indem sie unzählige Städte rund um den Globus bereisen und dabei die unterschiedlichsten Künstler- Innen und Kunstformen reportagenhaft porträtieren. In ihrem Langfilmdebüt thi s moment is not the same begleitet Marion Neumann über drei Jahre hinweg ein künstlerisches Experiment anderer Art und wird dabei selbst ein Teil davon: Eine leerstehende Villa in der Schweiz wird zum Labor einer alternativen Lebensform – an die 300 KünstlerInnen aus aller Welt nutzen während dieser Zeit die Offenheit des Ortes, um dort in der Gemeinschaft zu leben und zu arbeiten. Raum als Gegenstand wirtschaftlichen Interesses thematisiert der Dokumentarfilm Empire St. Pauli – von Perlenkette n und Platzverwei sen von Irene Bude und Olaf Sobczak. Er zeigt auf eindringliche Weise den Gentrifizierungsprozess eines Hamburger Stadtteils, exemplarisch anhand eines ehemaligen Brauereigeländes.