Arbeitswelten 2023

Die von Lina Dinkla (DOK Leipzig) kuratierte Programmsektion widmet sich realen Arbeitsbedingungen im Europa des 21. Jahrhunderts und taucht dieses Jahr in den Alltag von Künstler*innen ein.

 

Essay

KUNST IST AUCH NUR EIN JOB

Lina Dinkla, Kuratorin (DOK Leipzig)

Die Kunst als Arbeitsumfeld ist ein vager wie vieldeutiger Begriff, und doch hat jede*r sofort eine Vorstellung, ein Bild von Menschen an der Staffelei, mit dem Fotoapparat, eine Auktion oder Bühne vor Augen.

„Die Kunst“ fällt auch sicher nur den wenigsten auf Anhieb ein, wenn vom Begriff der Arbeitswelten die Rede ist. Doch gerade jetzt, mit der Erfahrung einer Pandemie im Rücken, wollen wir uns diesem Komplex als Berufsfeld widmen. Einerseits bekamen die „Künste“ in den letzten Jahren eine neue Sichtbarkeit, durch Berichte über Musiker*innen ohne Engagements, Maler*innen ohne Ausstellung oder Filme ohne Aufführung. Die durchweg prekären Lebensrealitäten selbständiger Kunstschaffender ohne Absicherung bekamen durch Maßnahmen wie Theaterschließungen und Kontaktverbote eine anders gelagerte Aufmerksamkeit, und tatsächlich wurde obendrein die Frage gestellt: Brauchen wir die Kunst in diesem Sinne überhaupt noch, dieses überbordende Angebot geschaffen von Menschen mit kreativen Berufen, die doch in der Krise nichts beizutragen haben? Oder eben gerade doch und erst recht? Am eigenen Leib konnte man schließlich erfahren, dass die Aussicht auf einen Kino- oder Museumsbesuch oder ein Konzert, dichtgedrängt mit vielen anderen, bei zahlreichen Menschen eine Wirkung entfaltete, die fast lebenserhaltend zu nennen ist.

Und schließlich: Kunst ist auch nur ein Job – der die Miete bezahlt und den Kühlschrank füllt. Ein Film im Programm erweitert die Definition von Kunst sogar noch. Denn auch die Haute Cuisine erschafft Kunstwerke, wenn die Kreation auf dem Teller mehr den Zweck eines Gemäldes oder einer Skulptur denn den eines Nahrungsmittel erfüllt.

Das verbindende Element der vier Filme bildet der Anfang, der Berufsstart, die bewusst oder nebenbei gewählte Abzweigung auf dem Weg nach der Schule. Sich an einer Kunsthochschule zu bewerben, heißt in den seltensten Fällen, danach auch vom Kunstschaffen ein Leben zu bestreiten; die Lehre zum Koch, zur Köchin allein führt nicht automatisch in die Welt der Sterneküche. Dennoch bewerben sich Jahr um Jahr unzählige junge Menschen an den Kunsthochschulen, nehmen harte Lehr- und Wanderjahre auf sich, um vielleicht am Ende zu den wenigen zu gehören, die es geschafft haben.

Daniel Richter ist einer von diesen wenigen, die ganz oben mitspielen, dessen farbige wie großformatige Leinwände offenbar einen Nerv getroffen haben und der zur richtigen Zeit am richtigen Ort auf Menschen getroffen ist, die ihm die Türen zum Kunstbetrieb öffneten.

Bis dahin kann es ein langer und ermüdender Weg sein. Es sollte nicht überraschen, dass auch im Kunstbetrieb die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für Frauen noch um einiges härter sind. Sich als (junge) Frau hier behaupten zu wollen, heißt, sich Sexismus und Diskriminierung auf persönlicher wie auch auf gesellschaftlich-organisatorischer Ebene ausgesetzt zu finden. Als Frau in einer 3-Sterne-Küche zu stehen oder als Künstlerin Kinder zu bekommen sind Momente, die klar vor Augen führen, dass es zu ebenbürtiger Anerkennung und echter Gleichberechtigung noch ein elend langer Weg zu sein scheint.

Filme der Sektion: