Arbeitswelten 2017

Was wir tun

(Katharina Riedler, Kuratorin)

Wofür arbeiten wir eigentlich? Um uns zu verwirklichen? Um gut zu leben? Oder schlicht, um zu überleben?

In diesem Jahr spannt der Film La mano invisible einen Bogen über die Sektion Arbeitswelten und wirft essentielle Fragen nach Sinn, Wertschätzung und Sichtbarkeit von Arbeit auf, die auch in den anderen Filmen wiedergefunden werden können. Im Langfilmdebüt von David Macián wird Arbeit zu einer bloßen Show, zur leeren, mechanischen, zweckbefreiten Tätigkeit. Ein Mechaniker zerlegt ein Auto und baut es dann wieder zusammen. Maschinenkomponenten werden zusammengefügt, ohne je weiter verarbeitet zu werden. Eine Näherin zerschneidet im letzten Arbeitsschritt jedes Mal wieder, was sie zuvor vernäht hat. Die Arbeiterinnen und Arbeiter arbeiten, ohne den eigentlichen Sinn ihrer Aufgaben zu kennen. Aus ebenso unerfindlichen Gründen wird schon nach kurzer Zeit die erste Leistungssteigerung von ihnen verlangt. Es muss schneller mehr „produziert“ werden, nur um dann wieder in der Sinnlosigkeit zu verpuffen. Wo soll das hinführen? Und wer profitiert eigentlich davon? Soll man Widerstand leisten oder ist die Angst davor, den existenzsichernden Job zu verlieren zu groß? Und: Wieso unter diesen Bedingungen überhaupt arbeiten?

Auch die in Zwischen den Stühlen porträtierten angehenden Lehrerinnen und Lehrer sind nicht alle ausschließlich von Idealismus getrieben. Manche von ihnen haben vorwiegend eine solide Anstellung und berufliches Ansehen als Ziel vor Augen. Sie werden dafür Teil eines Bildungsapparats, den sie selbst ein Stück weit hinterfragen.

Hingegen spricht der junge Bauarbeiter Joao in Quelque chose de grand mit Stolz davon, dass die Arbeit am Bau ein Teil von ihm geworden ist: „Es sieht so aus, als wärst du nutzlos, aber du wirst gebraucht.“ Arbeit kann den Platz eines Menschen in der Gesellschaft definieren. Sie kann so zentral in einem Leben sein, dass sie zum eigentlichen Leben wird. Während sich viele mehr und mehr mit ihrem Beruf zu identifizieren scheinen, mangelt es zugleich an Wertschätzung für (manuelle) Arbeit.

Es ist bezeichnend für die zunehmende Unsichtbarkeit gewisser Formen von Arbeit, dass die Bewohnerinnen und Bewohner eines ehemaligen Pariser Arbeiterviertels einen kleinen Betrieb mitten in ihrer Nachbarschaft, in dem seit Jahrzehnten hochwertige Kartonagen hergestellt werden, gar nicht wirklich wahrnehmen. In Derrière les pierres wird der Fabrik, die wie viele andere in die Peripherie übersiedeln muss, ein filmisches Denkmal gesetzt.

In diesem Sinne lädt das Programm der Arbeitswelten 2017 dazu ein, zu entdecken, zu beobachten, zu reflektieren und die essentiellen Fragen auch an sich selbst zu richten.

 

Filme der Sektion: