Arbeitswelten 2015

Das System hat viele Grenzen

(Lina Dinkla, Kuratorin)

Langsam wird’s langweilig. Kann diese „Krise“ nicht bald mal überwunden sein? Nun, das klingt natürlich etwas polemisch angesichts der tatsächlichen Probleme, die sich nach wie vor und mit ungebrochener Härte in vielen europäischen Ländern offenbaren.

In der Mehrzahl der Filme, die heuer für die „Arbeitswelten“ gesichtet wurden, tauchten die Folgen des Banken- Crashs, der geplatzten Immobilienblase oder der massenhaften Arbeits- und Perspektivlosigkeit auf. In fast jeder filmischen Annäherung an die Arbeitsbedingungen schimmert auch eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Finanzkrise durch. Quer durch alle Schichten, Länder und Berufsgruppen lässt sich erkennen: Das Europa, wie wir es kannten, wird nicht wiederkehren. Die Krise, dieses seltsam abstrakte, fast zu einem Running Gag mutierte Wort, hat uns und all unsere Lebensbereiche verändert. Und wer sagt denn, dass dieser Zustand eine Ausnahme darstellt und nicht den Status quo, an den wir uns langsam gewöhnen sollten? Doch das hieße ja, vor den Verhältnissen zu kapitulieren – und das ist für die wenigsten Menschen eine Option. Viel eher versuchen sie, etwas zu verändern. Das vielleicht aktuellste Beispiel ist der Marsch Zehntausender Menschen aus dem Kosovo nach Deutschland. Menschen – oftmals nicht die Ärmsten – brechen auf, um ihr Glück anderswo zu finden. Icíar Bollaín hat für En tierra extraña Exilspanier in Edinburgh interviewt. Es sind vornehmlich gut ausgebildete junge Menschen, die aus jenem Land, wo man trotz Hochschulabschluss weniger verdient als hinter dem Tresen eines Hähnchen-Imbisses, emigriert sind. Und auch die Protagonisten von Katharina Lamperts und Johanna Kirschs Von hier aus haben ihr altes Leben hinter sich gelassen, doch eher, um dem Konsum und der lärmenden Oberflächlichkeit (in der Stadt) zu entgehen. Die Menschen vom Hof-Kollektiv zum Beispiel gewinnen und verkaufen unter anderem altes Saatgut – auch um sich gegen die Lebensmittelindustrie zur Wehr zu setzen, die das Verbreiten bestimmter Sorten zu verbieten versucht.

Eher weil man es von ihnen verlangt als aus eigenem Antrieb finden sich in Les règles du jeu von Claudine Bories und Patrice Chagnard junge Erwachsene in einer Berufsberatungsagentur ein. Es wirkt, als gehorchten sie einem fremden Plan, der ihnen vorschreibt, für den Arbeitsmarkt fit gemacht und in Form gebracht zu werden.

Die Männer auf der schwimmenden Fischfabrik Grande Hermine in Seuls, ensemble von David Kremer sind manchmal monatelang auf See. Sie haben bis auf ein paar Telefongespräche keinen Kontakt zu Freunden oder Familie – sofern es diese überhaupt gibt. Kein leichtes Leben, doch für denjenigen, der sich für dieses reizarme Dasein entscheidet, scheint es in jedem Fall die bessere Wahl zu sein.

Und so lässt sich nach dem Betrachten der Filme festhalten: Allzu oft werden Menschen vom System in die Schranken gewiesen, doch zum Glück kennt der Mensch allerlei Möglichkeiten, diese zu umgehen.

 

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