Erste Doku-Highlights

 
09.04.2021 // Auch im heurigen Jahr widmet sich CROSSING EUROPE im Besonderen dem zeitgenössischen gesellschaftspolitischen Autor*innenkino aus Europa. Vorab präsentiert vier dokumentarische Arbeiten, die aktuelle politische Themen verhandeln, soziale und kulturelle Kontexte widerspiegeln und zur Auseinandersetzung mit der der jüngeren Geschichte und derzeitigen Verfasstheit Europas einladen.

Der rumänische Regisseur Alexander Nanau war bereits mit einem seiner früheren Filme, LUMEA VĂZUTĂ DE ION B. / THE WORLD ACCORDING TO ION B. (RO 2009), bei CROSSING EUROPE vertreten. Nun kehrt er mit dem hochbrisanten Dokumentarfilm COLECTIV / COLLECTIVE (RO/LU 2019) zurück, der einem Medienthriller gleich, einem beispiellosen Polit- und Korruptionsskandal in Rumänien nachgeht. Vielfach nominiert, u.a. für LUX-Prize, EE British Academy Film Awards (BAFTA) in der Kategorie Documentary und die Academy Awards (Oscar) in den Kategorien Documentary und Best Foreign Film, zeichnet Nanau die erschütternden Geschehnisse rund um den Großbrand in einem Bukarester Club nach, bei dem 27 junge Menschen aufgrund mangelnder Sicherheitsvorkehrungen zu Tode kamen, und in der Folge aufgrund miserabler medizinischer Versorgung und strukturellem Versagen weitere 37 Verletzte starben.

Um Politik geht es auch im aktuellen Werk des CROSSING EUROPE-Preisträgers Vitaly Mansky (2017 ausgezeichnet für RODNYE / CLOSE RELATIONS). Sein Blick ist abermals auf einen sogenannten „Jahrhundertpolitiker“ gerichtet – war es 2018 Vladimir Putin (SVIDETELI PUTINA / PUTIN’S WITNESSES), steht in GORBACHEV. HEAVEN (LV/CZ 2020) mit Michail Sergejewitsch Gorbatschow kein Geringerer als der Vater von Glasnost und Perestroika im Zentrum. Behutsam nähert sich der Film dem großen Staatsmann, der die Welt im 20. Jahrhundert verändert hat, dabei jedoch nicht unumstritten blieb. Mit dieser Last der Vergangenheit bringt der einsame alte Mann die letzten Tage seines Lebens in einem leeren Haus in einem Vorort bei Moskau zu.

Der Zerfall der Sowjetunion kumulierte unter anderem auch in der Unabhängigkeit der sowjetischen Unionsrepubliken, eine davon war 1991 Belarus. Seit 1994 ist Alexander Lukaschenko der starke Mann im Staat, er regiert autoritär, brutal und repressiv. Der aus Belarus stammende Regisseur Aliaksei Paluyan begleitet in seinem ersten Langfilm, COURAGE (DE 2021), die Mitglieder einer Untergrund-Theatergruppe in Minsk, die nach der Präsidentschaftswahl 2020 gemeinsam mit hunderttausenden Menschen auf die Straße gehen, um gegen das Lukaschenko-Regime zu demonstrieren. Ganz nah an den Ereignissen, gelingt Paluyan ein persönlicher Zugang zu den Demonstrierenden, die unter teils größter Gefahr Zivilcourage beweisen und für ihr Recht auf Freiheit kämpfen.

Mit dem Dokumentarfilm ANNY (CZ 2020) kehrt Helena Třeštíková, CROSSING EUROPE-Tribute Gast aus dem Jahr 2016, nach Linz zurück. Auch bei dieser Arbeit bleibt die tschechische Regisseurin ihrem Modus Operandi treu: Sie begleitet ganz „normale“ Menschen über Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg und schafft es dabei, neben den Einzelschicksalen die größeren Linien der Geschichte nachzuzeichnen. Zwischen 1996 und 2012 trifft sie immer wieder ihre Protagonistin Anny, die dem Publikum Einblicke in ihr Leben als Sexarbeiterin auf den Straßen Prags, Toilettenfrau und Großmutter gewährt.

Hier die vier Filme im Überblick:

  • ANNY (CZ 2020), Regie: Helena Třeštíková, 66 min. | European Panorama Documentary – Österreichpremiere
  • COLECTIV / COLLECTIVE (RO, LU 2019), Regie: Alexander Nanau, 109 min. | European Panorama Documentary – Österreichpremiere
  • COURAGE (DE 2021), Regie: Aliaksei Paluyan, 90 min. | Competition Documentary – Österreichpremiere
  • GORBACHEV. HEAVEN (LV, CZ 2020), Regie: Vitaly Mansky 100 min. | European Panorama Documentary – Österreichpremiere